· 

Ricarda-Huch-Preis: auch ein politischer Preis


Fotos von der Verleihung des Ricarda-Huch-Preises an Marin Walser am 17. Juni 1990 (Quelle: StadtA DA Best. 53/1 Nr. 327, Fotos: Roland Koch)

 

Die Akten der Pressestelle bergen eine Vielzahl an stadtgeschichtlichen Merkwürdigkeiten – im wahrsten Sinne des Wortes. Zum Beispiel ein Kuriosum zum Richarda-Huch-Preis. Der im Jahr 1978 gestiftete und seither alle drei Jahre verliehene Ricarda-Huch-Preis war an-fangs nämlich kein reiner Literaturpreis, auch wenn er als solcher bezeichnet wurde und wird. Er war immer auch ein politischer Preis. So heißt es in der Gründungssatzung, der Preis werde„… im Gedenken an den Volksaufstand vom 17. Juni 1953 in Mitteldeutschland…“ verliehen. Die Viten der ersten drei Preisträger – allesamt namhafte Persönlichkeiten – , des Theater- und Filmkritikers Friedrich Luft (1978), des Publizisten und Literaturkritikers Marcel Reich-Ranicki (1981) und des Verlegers Siegfried Unseld (1984), zu deren Preis-verleihung sich Unterlagen in den Akten der Pressestelle finden, weisen auf die politische Ausrichtung des Preises hin. Und auch die Namenspatronin des Preises, die Schriftstellerin und (als Frau) bereits 1891 (!) promovierte Historikerin Ricarda Huch (1864-1947), steht für diese doppelte Zielrichtung des Preises. Oder wie es Marcel Reich-Ranicki, in seiner Dankrede mit dem Titel „Ricarda Huch, der weiße Elefant“ zur Verleihung des Preises 1981 ausdrückte: „Daher ist es auch so schwer, ja oft unmöglich zu entscheiden, welcher Gattung gerade ihre besten Bücher angehören. Wer hat sie geschrieben – eine Dichterin oder eine Wissenschaftlerin…“. Die Satzung, die 1992 im Zuge der Wiedervereinigung geändert wurde, zielt seitdem auf Persönlichkeiten aus Kunst, Literatur, Wissenschaft und Politik, „… deren Wirken… durch unabhängiges Denken und mutiges Handeln…“ bestimmt ist. Dafür steht Ricarda Huch, die zu den wenigen mutigen deutschen Intellektuellen gehörte, die auch nach der Machtübertragung der Reichskanzlerschaft an Adolf Hitler, den Nationalsozialisten offen entgegentrat. (MW)

 

 

 

(StadtA DA 203 Nr. 148-150)

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0